Rückblick 2022
5. Jahrestagung Verteilnetzforum
28. Juni 2022 | Luzern, Schweiz
Die fünfte Ausgabe des Verteilnetzforums beschäftigte sich am 28. Juni 2022 neben der Revision StromVG und EnG, dem Stand der aktuellen Gesetzesberatung, Versorgungssicherheit, dem Stand des Smart Meter Rollouts, der Netzplanung im Kontext der Energiewende auch mit den Massnahmen zur Datensicherheit und Cyber Resilienz bei kritischer Infrastruktur. Mit rund 60 Teilnehmenden wurde erneut in offener und konstruktiver Atmosphäre über die aktuellen und künftigen Herausforderungen für Schweizer Verteilnetzbetreiber diskutiert.
Zu Beginn ordnete Dr. Mohamed Benahmed, Leiter Sektion Netze, Bundesamt für Energie BFE, die gegenwärtigen Entwicklungen des Netzgeschehens ein. Mit seinem Blick auf die Versorgungssicherheit, das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien und das Monitoring der Netze 2020 legt er das Fundament für ein spannendes Verteilnetzforum!
Laut Dr. Barbara Wyss, Leiterin Sektion Preise und Tarife, ElCom werden die hohen Strompreise die ElCom in den nächsten Monaten weiterhin intensiv beschäftigen. Die Tarifumfragen zeigen starke Erhöhungen vor allem bei nicht produzierenden Versorgern und damit eine noch viel stärkere Heterogenität der künftigen Energietarife in der Schweiz. Zudem wird die Versorgungslage für Winter 2022/2023 heikel werden, da die Importmöglichkeiten abhängig von der Verfügbarkeit der französischen KKW und vom Gas sein werden. Für die Unterdeckungen heisst es: Ausbuchen der Unterdeckungen vor 2018 ist nötig. Bei strittigen Fällen will die ElCom, wenn notwendig, den Rechtsweg gehen. Und das EDES wechselt im Herbst auf ein neues UVEK e-GOV Portal.
Die Versorgungssicherheit ist nicht eine Diskussion, sie muss aus dreierlei Perspektiven betrachtet werden, so Cornelia Staub, Head Corporate Regulatory Management, Axpo Group: Langfristige Energieversorgung bis 2050, kurzfristige Engpässe der Energieversorgung bis 2025 und der aktuelle Liquiditätsnotstand führen zum Gesamtbild. Auch wirft sie einen Blick auf den Mantelerlass und die parlamentarische Initiative von Bastien Girod (Übergangsregelung), sowie die Beschleunigung von Planungs- und Bewilligungsverfahren.
Nach den ersten spannenden Vorträgen stellen sich Dr. Mohamed Benahmed, Cornelia Staub und Dr. Barbara Wyss den Fragen des Moderators Dr. Markus Flatt, Partner, EVU Partners und der Teilnehmenden. Mit der Frage, ob es abseits der Versorgungssicherheit noch Themen gibt, die die Netzbetreiber vornehmlich beschäftigen wird die Runde der Podiumsdiskussion eröffnet.
Viele spannende Punkte werden besprochen: Wie wohl fühlen sich die Verteilnetzbetreiber denn ob der momentanen Situation? Wie wird die Kommunikation mit Ostral beurteilt? Welche Rolle haben die Verteilnetzbetreiber im Rahmen von allfälligen Massnahmen? Wie gehen wir mit den unterschiedlichen Ausgangslage für Versorger mit und ohne Eigenproduktion um? Welche Auswirkung hat die Durchschnittspreisemethode auf die Endkunden? Wie steht es um den Smartmeter Rollout unter Berücksichtigung von Rohstoff- und Komponentenmangel?
Wie kann die zukünftige Netzentwicklung gedacht und geplant werden? Als Basis hierfür nannte Martin Michel, Fachspezialist Netze, Bundesamt für Energie BFE in seinem Vortrag zu «Szenariorahmen 2030/2040 für die Stromnetzplanung» am Verteilnetzforum drei Szenarien, die hierfür zu Grunde gelegt werden. All diese enthalten unterschiedliche Parameter, wie z.B. starken vs. weniger starken Ausbau von PV – und führen alle zu «Netto-Null» bis 2050. Auch werden die Auswirkungen des fehlenden Stromabkommens in den Szenarien berücksichtigt.
Welchen Herausforderungen und Best Practices der Netzplanung wir im Verteilnetz gegenüber stehen führte Patrick Widmer, Leiter Asset Management, SAK aus. Und was passiert, wenn man bei der Realisierung von Projekten sozusagen gezwungen ist, sich auf Prognosen durch Langzeitstudien zu stützen, die nicht die eintretenden Umstände widerspiegeln können. Der Umgang mit diesen zunehmenden Unsicherheiten ist im Kontext der langen Lebensdauern von Netzen eine zunehmende Herausforderung.
Dr. Christof Bucher Professor für Photovoltaiksysteme, Berner Fachhochschule BFH referierte als nächstes zum Thema «Wechselrichter im Verteilnetz» und machte deutlich, dass die Verteilnetzte nicht auf die Spitzenleistung der Photovoltaik ausgerichtet werden sollten, da diese Leistung auf keinen Fall in das Schweizer Stromnetz integriert werden kann. Zudem führte er die Entwicklung der Wechselrichter von „Netzfolgend“ (früher) über „Netzstützend“ (jetzt) hin zu „Netzbildend“ (Zukunft) auf. Auch gab er einen Überblick über diverse europäische und internationale Normen, mit der Hoffnung darauf, dass die Normen bald durchgehender festgelegt werden.
Anschliessend an die Vorträge von Martin Michel, Patrick Widmer und Dr. Christof Bucher stellten sich die Referenten den Fragen des Moderators Dr. Markus Flatt, Partner, EVU Partners und der Teilnehmenden. Auf die Frage «Was nimmt man als Verteilnetzbetreiber aus den Szenarien 2030/2040 mit?» führte Patrick Widmer an, es hänge u.a. von den politischen Umständen und der globalen Entwicklung ab. Die Szenarien des Bundes wären für Verteilnetzbetreiber nicht direkt anwendbar, da die lokalen Ausprägungen sehr unterschiedlich sein können. Man muss sich einfach trauen, etwas zu verändern und basierend auf Annahmen Entscheide zu treffen. Das wiederum sollte regulatorisch auch honoriert werden. Bisher ist dies mit „cost+“ nicht der Fall. Daraufhin erklärte Martin Michel die Situation des BFE, welches zwischen den Stühlen stehe: zwischen divergierenden Expertenmeinungen, politischen Kompromissen und der allgemeinen Unsicherheit die Zukunft vorher zu sagen.
Weiter wurde die Frage aus dem Publikum diskutiert, wie mit Ladestationen daheim und der Gefahr der Netzüberlastung umgegangen werden soll, wenn alle nach Feierabend zur gleichen Zeit ihre E-Auto laden. Patrick Widmer stellte fest, dass dieses Szenario unrealistisch sei, die Last würde sich verteilen. Christoph Bucher war der Meinung, Netzbetreiber könnten innovative Ansätze gehen, um den Verbrauch zu steuern, wie z.B. mit dynamischen Tarifen. Da den meisten Verbrauchern dies nicht bewusst sei, könnte dieses Bewusstsein der Netznutzung künftig durch die Kommunikation der Geräte geregelt werden, so Markus Flatt. Dynamische Tarife wären rechtlich im Grundsatz bereits heute zulässig.
Dr. Bobjoseph Mathew, Vizedirektor und Abteilungsleiter Gesetzliche Metrologie, Eidgenössisches Institut für Metrologie METAS, nahm die Teilnehmenden anschliessend mit in die Datensicherheitsprüfung. Ziel ist es den gesamten Prozess schneller zu machen, was die Mitarbeit aller Involvierten benötigt. Das METAS selber beeinflusst nur einen kleinen Teil der gesamten Zertifzierungsdauer. Trotz erfolgreicher Sicherheitsprüfung durch die METAS sind Cyber Vorfälle weiter akut so Mathew.
Nachdem die Grundlagen von Herrn Mathew gelegt wurden, vertieften Lorenz Hadorn, Head of Energy und Marc Loosli, Head of Business Development von Quickline Energy das Thema der Datensicherheitsprüfung in Ihrem Vortag zu «Sicherheitsanforderungen an umfassende SmartMetering Plattformen». Key Take Aways, die sie den Teilnehmenden mitgaben, waren u.a.
- Risikominimierung aufgrund durchgehender Verschlüsselung der Daten
- sicherheitsrelevante Updates sollten zeitnah eingespielt werden
- Zugriffsbeschränkung und Multifaktorauthentifizierung
- regelmässige Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeitenden
In seinem Vortrag «Massnahmen zur Datensicherheit und CyberResilienz bei kritischer Infrastruktur» zeigte Marco Wyrsch, CISO Swisscom Business Customers, Swisscom auf, welche Elemente der Cyberdefense bei Swisscom eingesetzt werden: Security Operation Center (SOC), Computer Security Incident Response Team (CSIRT), Vulnerability Management, Bug Bounty, Cyber Defense Engineering, Red Team. Als branchenfremder Beitrag nahm er alle Teilnehmen mit und erklärte verständlich, was notwendig ist, um das digitale Business zeitnah vor immer komplexeren Angriffen zu schützen: es braucht nebst Schutz ein übergreifendes Security Monitoring und vereintes Know-how der Teams.
Moderiert wurde der Tag von Dr. Markus Flatt, Partner von EVU Partners. Flatt gab den hochkarätigen Beiträgen und Diskussionsrunden einen optimalen Rahmen und hat die Referenten mit den richtigen Fragen und dem Einbezug des Publikums gefordert. Nicht zuletzt die produktiven Diskussionen und das ausgezeichnete Networking, sowie die sehr gute Stimmung aller Teilnehmenden und Referenten rundeten den Erfolg der Tagung ab.
Das nächste Verteilnetzforum findet am 29. Juni 2023 in Zürich statt. Informationen zu Agenda, Referenten und Anmeldung finden Sie unter www.verteilnetzforum.ch.