Rückblick 2021
4. Jahrestagung Verteilnetzforum
15. Juni 2021 | Zürich, Schweiz
Am 15. Juni 2021 wurde an der vierten Ausgabe des Verteilnetzforum im Zürich Marriott Hotel nach langem Warten wieder live mit rund 50 Teilnehmenden in offener und konstruktiver Atmosphäre über die neuen Vorgaben für Verteilnetzbetreiber im Rahmen der Revision StromVG & EnG, die Updates zur Netzregulierung seitens der ElCom, die Grenzen von Smart Meter Datenverwendung im Kontext von Datenschutz und Unbundling, sowie über die aktuellen und künftigen Herausforderungen für Schweizer Verteilnetzbetreiber diskutiert.
Dr. Mohamed Benahmed, Leiter Sektion Netze, BFE, stellte den aktuellen Stand der laufenden Gesetzesrevisionen aus Sicht des Bundes im Kontext der Energiestrategie 2050 vor. Nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes bedarf es einer Überprüfung der Instrumente. Das Netto-Null-Ziel bleibt bestehen und ist nun mit «Quick-Wins» sowie mit neu zu prüfenden Massnahmen zu erreichen. Im Vordergrund des Referats stand aber das zwischenzeitlich vom Bundesrat verabschiedete «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» bzw. die darin verpackte Revision von EnG und StromVG. Während die Revision EnG auf verbindliche Zielwerte 2035/2050, Investitionsbeiträge, Auktionen und Projektierungsbeiträge setzt, fokussiert die Revision StromVG den Aus- und Aufbau des Winterstroms und der Energiereserve, die lang ersehnte Strommarktöffnung, Wahlfreiheit im Messwesen, die Bereitstellung eines nationalen Datahub zur Gewährleistung effizienter Datenprozesse, sowie von Flexibilitäten und die Netzregulierung.
Benahmed attestierte vor allem dynamischen Tarifen (sowohl leistungs- auch als energieseitig) ein grosses Potenzial, um die Netzauslastung besser zu steuern. Er bezog sich dabei auf eine vom BFE in Auftrag gegebene Studie zum Thema Netztarife. Diese befinde sich derzeit im Stakeholderprozess und solle demnächst publiziert werden. Im Rahmen der Revision StromVG soll dabei am Tarifierungsmodell im Grundsatz festgehalten werden, eine Entlastung für lokale Tarife - also Netztarife, welche die Nähe von Produktion und Erzeugung in irgendeiner Form abbilden bzw. belohnen, ist nicht geplant. Die Studie komme zu keinem positiven Schluss in puncto lokale Tarife und Verursacherprinzip, so Benahmed.
Eine Netzkostenstudie des BFE solle zeigen, wie hoch der Effekt der Flexibilität auf die künftigen Verteilnetzkosten genau seien könne. In der Studie sollen demnach die Effekte einer starken Elektrifizierung und eines starken Ausbaus der erneuerbaren Energien auf die Verteilnetzkosten basiert auf den neuesten Energieperspektiven untersucht werden. Sensitivitäten sind dabei neben dem Effekt der Flexibilität beispielsweise die Laufzeit der Kernkraftwerke oder der Konzentrationsgrad der Erneuerbaren. Benahmed stellte die Publikation der Studie für Herbst 2021 in Aussicht.
Dr. Katja Keller, Leiterin Netzwirtschaft, BKW, zeigte in Ihrem Referat die Chancen und Herausforderungen für den Verteilnetzbetreiber (VNB) im Kontext der geplanten Gesetzesrevision auf. «Was sind die Aufgaben eines VNB in 20 Jahren? Wie stellen sich die Konsumenten den VNB in 20 Jahren vor?». Keller betonte, dass die Stellschrauben der aktuelle Revision genutzt werden müssen, um die Sicherstellung eines stabilen Netzbetriebes langfristig zu gewährleisten. Während aus Ihrer Sicht die Liberalisierung des Strommarktes und mehr Transparenz mit der Sunshine Regulierung wünschenswert sind, sind insbesondere die Zuordnung der Grundversorgung als Aufgabe des VNB, die Abnahme- und Vergütungspflicht durch die VNB sowie die Liberalisierung des Messwesens kritisch zu beurteilen. Keller betone, dass sie eine klare Trennung zwischen VNB und den Energielieferanten (Produktion und Beschaffung) anstrebe, sodass in Zukunft nicht mehr der VNB sondern der Lieferant für die Grundversorgung verantwortlich sei.
Keller argumentierte weiter, dass die Kosten im Verteilnetz im Wesentlichen von der bereitgestellten Gesamtleistung abhängen würden. Ihr zufolge sind die Kosten unabhängig von der effektiven zeitlichen Beanspruchung, weshalb sie im Sinne der Verursachergerechtigkeit für eine konsequente Netztarifierung basierend auf der Anschlusskapazität plädiere.
Auch beim Potenzial der Flexibilitätsnutzung zur Reduktion des Netzausbaubedarfs verwies Keller darauf, dass der Netzausbau sehr langfristig orientiert sei, die Flexibilitätsnutzung dagegen kurzfristig. Den Einbezug der Flexibilität in die Netzplanung bezeichnete sie daher als sehr schwierig und äusserte entsprechend ihre Zweifel, dass die Flexibilitätsnutzung wirklich den Netzausbaubedarf reduzieren könne. Wirksam hierfür sieht sie eher die Abriegelung bzw. das Peak-Shaving von Produktionsanlagen.
Weiter sprach sich Keller für die Liberalisierung der Messdaten aus. Damit wäre die Hoheit über die Daten beim Eigentümer und der VNB würde diese, wie sämtliche andere Marktakteure, für den Zweck des Netzbetriebs und der Abrechnung nutzen.
Als Fazit brachte Frau Keller an, dass eine längerfristige Vision der StromVG zeige, eine klare Grundausrichtung und Prinzipien sind eine Chance für die VNB. Mit einer klaren und konsequenten Trennung von Energielieferung und Netznutzung endet die Verantwortlichkeit des VNB am (Haus-) Anschlusspunkt. Durch die Erhebung der relevanten Daten durch den Dateneigentümer resp. seines Dienstleisters und die Einführung eines Datenhubs werden die benötigten Daten für alle Akteure frei zugänglich. Zudem sind die Netzkosten relevant für die künftige Energiewelt, Einsparungsmöglichkeiten müssen ausgeschöpft werden. Auch muss die Verantwortung bei den Netzkosten klar definiert werden, so Keller.
Dr. Barbara Wyss, Leiterin Sektion Preise und Tarife, ElCom, brachte zu Beginn die aktuellen regulatorischen Herausforderungen bei der ElCom an. An vorderster Stelle standen die nach wie vor hohen Unterdeckungen bei den VNB. Diese entstehen vor allem daraus, dass VNB nicht sämtliche, geltend gemachte Kosten eintarifieren. So können die aktuellen Tarife laut Wyss nicht mehr ruhigen Gewissens kommuniziert werden, da diese sich künftig sehr stark erhöhen könnten. Somit sieht sich die ElCom damit beauftragt, ihre Aktivitäten zur Reduktion der Unterdeckungen im laufenden Jahr zu verstärken. Die VNB müssen sich fragen: Was sind meine Deckungsdifferenzen? Wie sind diese entstanden und wie muss ich diese über die Zeit behandeln? Wie kann ich diese abbauen und in Zukunft vermeiden? «Überlegen Sie sich eine Abbaustrategie, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden kann», so Wyss.
Eine weitere regulatorische Herausforderung ist die regulatorische Aktivierung des Anlagevermögens. Betriebsnotwenige Anlagen und deren Instandhaltung dürfen aktiviert werden, Kosten für die Installation von Smart Meter jedoch beispielsweise nicht. Die regulatorische Praxis begründet Wyss mit der bisherigen Handhabung im Messwesen und mit den Branchenvorgaben, welche jetzt nicht einfach angepasst werden können. Die regulatorische Aktivierungspraxis ist somit nicht mit der Aktivierungspraxis, unter der jeweiligen Rechnungslegung, gleichzusetzen.
Wyss führte auch das neue Dateneinlieferungssystem EDES an. Damit wurde, neben einer neuen Strompreiswebseite, die Datenerhebung erneuert und gleichzeitig die Basis zu einer datenbasierten Aufsicht gelegt: www.strompreis.elcom.admin.ch
Als Ausblick für die künftige Netzkostenregulierung brachte Frau Wyss die Sunshine Regulierung an. Ziel ist die Erhöhung der Vergleichbarkeit und Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, sodass auch Endverbraucher die Indikatorenergebnisse verstehen. Zusammen mit EDES wird auch die ElCom ihren Regulierungsansatz optimieren und stärker auf die datenbasierte Erfassung von Auffälligkeiten setzen, um so vertiefte Prüfungen zielgerichtet durchführen zu können.
In der anschliessenden Diskussionsrunde mit den Referenten und Referentinnen Dr. Mohamed Benahmed, Dr. Katja Keller und Dr. Barbara Wyss wurde zunächst auf den Einsatz und die Umsetzung dynamischer Tarife eingegangen. Laut Benahmed ist in der Revision StromVG nicht viel zu dynamischer Tarifierung vorgegeben, es stehe dem VNB frei, eine dynamische Tarifierung einzusetzen. Die Anreize beim Kunden müssen so gross sein, dass der Kunde sich bei hohen Tarifen zurückhält und z.B. das Laden seines E-Autos verschiebt oder die Leistung reduziert. Die dynamischen Tarife sollen über den Winter- und Sommertarif hinausgehen. Aus Sicht der BKW sind dynamische Tarife jedoch schwer umzusetzen. Laut Keller seien dynamische Tarife in ihrem Verständnis Tarife, die sich nach der Netzauslastung anpassen. Auch sei für sie die Umsetzung schwer vorzustellen, da für den Kunden Netznutzungs- und Energietarife(/preise) gleichzeitig angepasst werden müssten. Frau Keller sieht hier Konfliktpotential zwischen dynamischen Netz- und Energietarifen, die sich gegenseitig ausgleichen oder beeinflussen.
Auch wurde die Rolle des VNB und damit die Entflechtung von Netz und Energie diskutiert. Laut Keller wäre ein Modell der Zuteilung der Stromgrundversorgung wie in Deutschland denkbar. Hier wird alle paar Jahre der Grundversorger, nach der Grösse des Versorgungsgebiets, bestimmt. Frau Wyss sieht eine Vergabe durch die Kantone als Möglichkeit für die Grundversorgungslieferpflicht. Aus der Sicht der ElCom ist der Energieteil unterreguliert – im Gegensatz zu den Netzen ist vieles nicht klar geregelt. Der Wunsch wäre eine vollständige Marktöffnung und die Regulierung der Grundversorgung mit einer reinen Preismissbrauchsaufsicht (wobei auch hier in Bezug auf Vergleichspreise, etc. noch Fragen offen sind). Benahmed merkte an, dass der Markt auch die Kunden, die sich nicht am freien Markt beteiligen und keine Anbieterauswahl treffen wollen eine Lösung anbieten müsse. Dazu brauche es einen eindeutigen Grundversorger.
Die Liberalisierung des Messwesens solle eine Klärung über die Kosten des Messwesens und eine Sicherung der Datenqualität mit sich bringen. Mit einer vom Bund vorgeschlagenen Liberalisierung ist die Entflechtung des Messwesens vom Netz und separate Messtarife verbunden. Ob die Liberalisierung des Messwesens letztlich ausgestaltet werden soll, müsse die Politik entscheiden.
Zuletzt fand das Thema der Flexibilitätsregulierung noch einen Diskussionsrahmen. Die Branche scheine sich schwer zu tun den Nutzen in der Flexibilität zu sehen. Benahmed bekräftigte diesen Eindruck. Frau Keller sehe die Problematik darin, dass sie nicht recht wisse, wie sie die Flexibilitäten bepreisen solle. Das BFE verfolge das Ziel, dass die Netzbetreiber mit dynamischen Tarifen und/oder mit Flexibilitätsentschädigungen den Netzausbau zumindest zu verzögern bzw. getreu den NOVA-Vorgaben zu optimieren. Die VNB sind auch bereits heute in der Pflicht, Effizienzpotenziale zu nutzen, so Wyss.
Dr. Maurus Bachmann, Geschäftsführer, Swisseldex, stellte nach dem Mittagessen den Datahub Schweiz, eine zentrale Drehscheibe für den Austausch von Energiedaten vor. Mit dem Einsatz eines Datahubs möchte Swisseldex in Zukunft einen schnellen und kosteneffizienten Datenaustausch zwischen allen beteiligten Marktakteuren und damit von nicht-automatisierten mit automatisierten Systemen ermöglichen, vor allem auch in Hinblick auf die bevorstehende vollständige Marktöffnung. Mit dem Datahub wird laut Bachmann eine neutrale Lösung der Wechselprozesse für alle VNB zur Verfügung gestellt. Damit erfolgt die Eingabe der Kommunikationsdaten und die Datenspeicherung über einen FTP-Server und die Wechselprozesse werden über einen SDAT WebClient übermittelt. Das Messpunkteregister dient dazu, dass jeder VNB seine Messpunkte abbilden kann, welche für alle berechtigen Akteure sichtbar sind (z.B. Lieferanten während einer Lieferperiode). Ziel ist die Vereinfachung der Kommunikation zwischen den Akteuren. Derzeit sind 2,5 Millionen Messpunkte an den Datahub angeschlossen, das entspricht einem Marktanteil von ca. 50%, Tendenz steigend. Das Go-Live des Datahub wird Ende 2021 angestrebt, so Bachmann.
Dr. Jan Marckhoff, CEO und Gründer, BEN Energy, ging im Anschluss auf den Nutzen aus Smart Meter Daten vor dem Hintergrund der erwarteten Marktöffnung ein. Marckhoff machte deutlich, dass es nicht nur entscheiden ist, Prozesse wie einen Datahub einzuführen, sondern auch eine Strategie zu entwickeln, wie sich jedes EVU aufstellen möchte und wie die gewonnen Daten genutzt werden können. Umfragen von BEN Energy ergaben, dass viele Schweizer Kunden gerne den Anbieter wechseln würden und rund 10% aller Kunden ihren Anbieter nicht kennen. Demnach ist Kundenzentrierung dringend erforderlich für den Erfolg. Marktforschung sollte am Kunden beginnen. Wertschätzung, Unterstützung für einen energieeffizienten Verbrauch, sowie schnelle Hilfe wirken sich positiv auf die Kundenzufriedenheit aus. Als Fazit gab Marckhoff an, dass es für EVU essenziell wichtig sei, sich ein tiefgreifendes Kundenwissen aufzubauen, den Marathon der Kundenzentrierung auf sich zu nehmen und eine saubere Datenanalyse im Messekundenmarkt durchzuführen.
Zuletzt widmete sich Dr. Stefan Rechsteiner, Partner, VISCHER, dem spannenden Thema «Geschäftsmodelle Smart Meter Daten – Was ist möglich? Was ist erlaubt?». Seitens der VNB bestehe die Pflicht, Smart Meter zum Einsatz zu bringen. Die Installation bedarf keiner Zustimmung der Endverbraucher, jedoch kann diese verweigert werden (die dadurch entstehenden Mehrkosten hat der Endverbraucher zu tragen). Die Prüfung der Datensicherheit der Smart Meter erfolgt auf Antrag durch METAS-Cert bzw. ein Prüflabor. Für die Installation intelligenter Steuer- und Regelsysteme für den Netzbetrieb besteht hingegen eine Zustimmungspflichtig des Endverbrauchers und es besteht bei Einsatz ein Recht auf Entschädigung. Nur bei Abwendung einer unmittelbaren erheblichen Gefährdung des sicheren Netzbetriebes dürfen diese ohne Zustimmung installiert und eingesetzt werden. Zudem bestehe bei den VNB die Pflicht die Messdaten der Smart Meter allen Marktteilnehmern zugänglich zu machen.
Damit kam das informatorische Unbundling ins Spiel, welches die Entflechtung der Informationenflüsse und damit Trennung von Daten aus Monopol- und Wettbewerbstätigkeit mit sich bringt. Jedoch ist das informatorische Unbundling bis heute immer noch unzureichend umgesetzt. Durch das Unbundling sollen alle Marktakteure auf das gleiche «level playing field» gesetzt und der informatorische Wettbewerbsvorteil der VNB in den Wettbewerbsbereichen aufgrund von Kenntnissen aus dem Monopolbereich vermieden werden. Eine einfache Einwilligung der Datennutzung des Endverbrauchers berechtigt den VNB daher aus Sicht von Rechsteiner nicht, die Daten ausserhalb der Monopoltätigkeiten für andere Marktaktivitäten zu nutzen. Die konkrete Datenbereitstellung müsste dabei vom Kunden direkt an den Wettbewerbsbereich des EVU erfolgen, ohne Mittun des VNB. Faktisch ist dies fast nur mit einer Datenhaltung in einem Datenhub o.ä. sinnvoll umsetzbar, wo der Kunde über die Verwendung seiner Daten explizit entscheiden kann. Aus regulierungspolitischer Sicht, so Rechsteiner, darf das Effizienzpotenzial der Smart Meter Daten auf Systemebene nicht vernachlässigt werden, hier ist das Lastmanagement, dynamische Tarife und neue Dienstleistungen zu nennen. Sollte jedoch gegen das informatorische Unbundling verstossen und Daten weitergegeben werden, drohen relevante Strafen für die VNB aufgrund der Verletzung des Wettbewerbsrechts und für die betroffenen Mitarbeitenden aufgrund der Strafbestimmungen im StromVG. Als Fazit brachte Herr Rechsteiner die Frage an, weshalb in Smart Meter investiert wird, wenn die Daten für den grössten Nutzen, der in den Marktaktivitäten liege und nicht im Netz, nicht genutzt werden dürfen. Daher sollen sich die VNB so aufstellen, um ihre Zuständigkeiten gut bewirtschaften zu können. Ohne entsprechende IT-Unterstützung ist dies aus seiner Sicht nicht handelbar. Mit dem informatorischen Unbundling wird letztlich die Datenherrschaft des Kunden gestärkt, das Verhältnis des informatorischen Unbundling zu «smarten Geschäftsmodellen» bleibt aber zumindest weitgehend ungeklärt.
In der abschliessenden Podiumsdiskussion diskutierten Dr. Jan Markchoff, Dr. Stefan Rechsteiner und Karl Thoma über die Möglichkeit neue Geschäftsmodelle aufzusetzen, unter der Voraussetzung des informatorisches Unbundling, dem Umgang und der Verwendung wirtschaftlich sensibler Daten. Für ihre Marktaktivitäten kaufe bspw. Repower zusätzlich Adressdaten ein, so Thoma. Hier sei aber oft die Datenqualität ein Problem. Darauf ergänzte Rechsteiner, dass diese jedoch nicht mit vorhandenen Messdaten aus dem Netz angereichert werden dürfen. Stammen die Daten allerdings aus Geräteinstallationen bzw. aus installierten Zählern, die von Geschäftsfeldern im Markt und nicht aus Netzentgelten finanziert wurden, ist es dem Unternehmen erlaubt, diese unter Beachtung des Datenschutzes frei zu verwerten. Nach Art. 13c StromVV, so Marckhoff, dürften die Kunden, bei ihrer Zustimmung für die Datenverwendung Informationen zur Sensibilisierung im Bereich der Verbrauchsreduktion erhalten. Hier sind kundenzentrierte Lösungen mit Rückmeldungen zum Verbrauch seitens VNB möglich, z.B. wenn die Wärmepumpe falsch eingestellt ist. Rechsteiner kommentierte diese Auslegung als zumindest heikel, da nach Schweizer Datenschutz keine Zustimmung für die weitere Verwendung möglich sei, die Daten müssen der Zweckverwendung entsprechen. Werden die Daten aus Smart Meter oder Regel- und Steuerungssystemen jedoch so aufbereitet, dass auch Dritte darauf Zugriff erhalten, dürfen die VNB diese verwenden, um den Kunden neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Somit würde der Wettbewerbsvorteil für VNB, die die Daten aus dem Monopol gewinnen, vermieden.
Laut Marckhoff werde die Zustimmung der Kunden für die Datenverwendung in Deutschland durch den Vertrieb eingeholt. In der Schweiz ist dies aufgrund unzureichender Smart-Meter Basis jedoch noch nicht sinnvoll möglich. Thoma bekräftigte, dass die Schweizer Firmen genau auf diese Verfügbarkeit der Messdaten vorbereitet sein müssen. Mit dem Smart-Meter Roll-out wäre es fahrlässig, diese Daten nicht zu nutzen.
Auf die Abschlussfrage, wann nun endlich die lang erhoffte Marktliberalisierung kommen möge, wollte sich keiner der Diskutanten festlegen. «Seit 10 Jahren soll sie kommen, die Marktöffnung, allerdings ist sie dann immer noch mal drei Jahre entfernt» so Marckhoff. Auch Herr Rechsteiner ist der Ansicht, dass die Marktöffnung noch dauere – aber sie komme, ganz bestimmt.
Moderiert wurde der Tag von Dr. Markus Flatt, Partner von EVU Partners. Flatt hat den hochkarätigen Beiträgen und Diskussionsrunden einen optimalen Rahmen und die Referenten mit den richtigen Fragen und dem Einbezug des Publikums gefordert. Nicht zuletzt die produktiven Diskussionen und das ausgezeichnete Networking, sowie die sehr gute Stimmung aller Teilnehmenden und Referenten rundeten den Erfolg der Tagung ab.
Das nächste Verteilnetzforum findet am 29. Juni 2022 in Zürich statt. Informationen zu Agenda, Referenten und Anmeldung finden Sie unter www.verteilnetzforum.ch.